Borås – die Nummer 1 der Welt in Sachen innovatives Design und Street Art
In Borås fließt die Kreativität wie nie zuvor. Die Straßen und der zentrale Platz haben sich in eine gigantische Outdoor-Galerie verwandelt, die die Kunst mitten in den Alltag der Einwohner transportiert hat. Schwedisches Design ist auf der ganzen Welt für seine Innovationen und seine Kreativität bekannt, bei der die Form fast immer der Funktion folgt. Und hier, in der geschichtsträchtigen Textilstadt, stellt sich täglich die Frage: Gibt es eine Grenze dafür, was mit textilem Material geschaffen werden kann?
Mit dem Moment, in dem Sie das Textile Fashion Center unmittelbar nördlich des Zentrums von Borås betreten, öffnen Sie die Tür zu einer lebendigen Welt des Schaffens – ein kulturelles Narnia, wenn man so will. Früher einmal waren in diesen Räumen eine Weberei, eine Spinnerei, eine Nähfabrik und eine Färberei zuhause. Und obwohl viel Zeit vergangen ist, seit das Fabrikgerumpel verstummt ist, hat sich das Tempo nicht verlangsamt – hier nimmt die Zukunft Form an!
In Europas führendem Wissenschaftspark für Textilien und Mode heißt Sie eine offene Industrielandschaft mit großen Fenstern willkommen, die viel Licht hereinlassen und zugleich den Blick auf den Viskan freigeben, den Fluss, der buchstäblich diese alte Fabrikumgebung durchströmt. Vom Restaurant The Food Company hört man das fröhliche Gemurmel der Abendgäste und in Sesselgruppen vor der großen Ziegelwand im Foyer ist eine Diskussion unter Studenten der Textilhochschule im Gang. Der Blick wird ebenso vom farbenfrohen Eingang des Textilmuseums angezogen wie von William Sweetloves Skulptur aus einem roten Kleid, das das schwedische Kronprinzenpaar 2010 von der Stadt Borås zur Hochzeit erhielt.
Fotograf: Faramarz - Textilmuseet i Borås
Ein Ort mit einer DNA aus Textil
Bereits im 16. Jahrhundert wanderten die so genannten „Knallar“ in der Umgebung von Borås von Hof zu Hof und verkauften Stoffe und anderes Handwerk. Mit der Zeit expandierte diese Tätigkeit und bedurfte einer Organisation, woraufhin das Verlagswesen als Unternehmensform entstand. Dennoch wurde weiterhin das meiste von Hand gemacht und es sollte bis 1835 dauern, bevor Schwedens erste mechanische Baumwollweberei ihre Pforten öffnete. Damals brachte die Industrie und der darauf folgende Versandhandel fast die gesamte arbeitende Bevölkerung in Lohn und Brot.
In der Region um Borås liegt auch Schwedens älteste Leinenweberei, das Familienunternehmen Ekelund. Von hier aus hat man bereits seit Ende des 17. Jahrhunderts die schwedischen Wohnstuben mit nachhaltig hergestellten Handtüchern, Tischdecken und Teppichen versorgt. Mit Sicherheit sind Sie auch bereits auf Teppichen gewandelt, die von Kasthall oder Bolon hergestellt worden sind, Unternehmen, die heute Hotels und Büros in aller Welt beliefern. Der Erfolg Bolons gründet sich darauf, dass man dort neue Möglichkeiten erkannte, bevor es ein anderer tat. Das Unternehmen begann 1949, aus Textilresten Flickenteppiche herzustellen und seitdem war der Fortschritt eine Tatsache.
Das Streben nach neuen Lösungen ist weiterhin eine treibende Kraft in der Entwicklung der Region Borås und auf der Textilhochschule werden die textilen Kreativen und Innovatoren von morgen ausgebildet.
Fotograf: ROBERT DAHLBERG
Smart Textiles macht Design für die Zukunft
Bei der heutigen Textilindustrie geht es um viel mehr als nur Stoffe und Kleider. Wussten Sie zum Beispiel, dass es Kleidungsstücke gibt, die den Puls messen? Gestrickte Blutgefäße, die bei Bypass-Operationen verwendet werden? Kleidung, die den Treibhauseffekt verringert? Socken, die Ihre Schritte beim Laufen analysieren und Stoffe, die ihre Farbe verändern? Smart Textiles – Nordeuropas größte Forschungsressource für Textilien der Zukunft – arbeitet eng mit der Textilhochschule und der Wirtschaft zusammen, wenn man dort textile Traditionen auf den Kopf stellt und neue nützliche Produkte für Medizin, Architektur, Einrichtung und Mode entwickelt. Im Projekt „Design für Recycling“ wurde zum Beispiel ein Kleid vollständig aus Material aus der Holzindustrie hergestellt – schwedische Waldrohstoffe wurden zunächst zu Papier verarbeitet, das dann zu Fäden versponnen wurde. Aus diesen entstand schließlich ein geschmeidiges Kleid. Wer weiß, vielleicht werden wir alle in ein paar Jahren in Kleidern aus Papier herumlaufen.
Die Stadt als Galerie
Die ganze Stadt atmet in Borås die kreative Mentalität, das werden Sie als Besucher sofort bemerken. Die Stadt hat sich dank der beiden Kunstbiennalen – eine für Skulpturen und die andere für Straßenkunst, die einander jährlich abwechseln – in den vergangenen zehn Jahren in ein gigantische Outdoor-Galerie verwandelt. Während des Straßenkulturfestivals No Limit Street Art, das im Herbst 2014 startete, wurden international bekannte Straßenkünstler eingeladen, die Wände und Plätze der Stadt zu füllen. Von kleinen Skulpturen bis hin zu großen Wandmalereien war alles dabei. Einige der letzteren bedecken ganze Wände auf Häusern mit sieben Etagen.
Fotograf: ROBERT DAHLBERG
Die Stadt als Galerie steht ebenfalls im Fokus bei der „Borås Internationella Skulpturbiennal“, der internationalen Skulpturbiennale, die 2008 gestartet ist. Die ausgestellten Skulpturen sind ein Teil des Stadtsbildes geworden. Zu den aufsehenerregendsten gehört Jim Dines Bronzestatue, die Pinocchio zeigt. Die neun Meter hohe Skulptur hat den Namen „Walking to Borås“ bekommen, was oftmals mit den Handlungsreisenden aus Borås, den „Knallar“ verknüft wird, die schon im 16. Jahrhundert durchs ganze Land reisten, um Textilien zu verkaufen. Eine weitere bedeutende Skulptur ist Jaume Plensas „House of Knowledge“, die vor dem Eingang des Textile Fashion Center steht und die – mit dem Fokus auf Wissen – ein Symbol für die Forschung im Textilbereich ist.
Das Kunstmuseum, das es nie geben sollte
Wenn Sie am Textile Fashion Center weiter nordwärts gehen, in Richtung Knalleland und Tierpark, kommen Sie zum Abecita Kunstmuseum. Hier finden Sie internationale Fotografie und Kunstgrafik aus Europa und den USA sowie preisgekrönte Textilkunst – und all das, obwohl diese einzigartige Sammlung nie ausgestellt werden sollte. Alles begann mit Berit und Bengt Swedmark, den Eigentümern der Abecita AG, einem führenden skandinavischen Unternehmen für feminine Bademode und Unterwäsche. Die beiden begannen, Grafiken bislang relativ unbekannter Künstler für ihr eigenes Zuhause zu sammeln. Mit der Zeit wuchs die Sammlung und das Paar fasste den Beschluss, die Kunst nicht weiter für sich zu behalten. Auf drei Etagen sind nun rund 500 Kunstwerke von 30 Künstlern wie Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein, Kiki Smith, Louise Bourgeios und Jim Dine versammelt.
Die Entwicklung der Stadt als Galerie, angefüllt mit Kunst, Skulpturen und Street Art, hat international Aufmerksamkeit erregt. Darum ist es nicht so merkwürdig, dass die Einwohner von Borås stolz auf ihre kreative und innovative Stadt sind, wo Kunst auf einzigartige Weise zugänglich gemacht worden und zu einem Bestandteil des Alltags aller Menschen geworden ist.